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Alles wird gut?! – Streit um eine Neujahrspredigt

17. Januar 2010

Das neue Jahr hat begonnen. Und es begann mit einer Überraschung: Die Worte einer Bischöfin sorgten für einen Sturm an Entrüstung. Erstaunlich. Es vermutlich kaum zählbar auf wie vielen Kanzeln in den letzten Monaten die notwendige Frage nach der Sinnhaftigkeit des Einsatzes in Afghanistan gestellt wurde. Darauf gab kein öffentliches Echo. Die Predigt in der Frauenkirche aber wurde wahrgenommen. Der Traum des Pfarrerdaseins: Man wird gehört! Und sogar ernst genommen. Auch wenn man so normal reagiert, wie man es von einem Menschen der Kirche erwarten kann: Margot Käßmann fragt nach dem Zeugnis der Nächstenliebe, das dem Glauben entspringt. Und dieses Zeugnis sollte hier ebenso gelten wie in Afghanistan. Ganz offensichtlich haben alle Bemühungen, den Terrorismus einzudämmen, nicht zu mehr Frieden geführt. Darum kann man die Worte der Predigt nur unterstreichen: „Wir brauchen mehr Fantasie für den Frieden, für ganz andere Formen, Konflikte zu bewältigen.“

Stellt sich damit Margot Käßmann gegen den Bundestag? Oder stellt sie Fragen, die sie als Bischöfin stellen muss? Oder lässt sie gar, wie die Bild-Zeitung unterstellt, die Soldaten im Stich? Ist es nicht ein Unterschied, ob man einen Einsatz in Frage stellt oder die Seelsorge für die Soldaten in ihrer speziellen Situation? Frau Käßmann hat den Einsatz hinterfragt, aber an keiner Stelle ihrer Predigt die Begleitung der Menschen vor Ort.

Für die Kirchen entwickelt sich im Nachgang eine erfreuliche Ökumenische Einheit: Bischof Walter Mixa, Bischof von Augsburg und katholischer Militärbischof, stellte sich hinter die evangelische Bischöfin: Eine Frage nach der Sinnhaftigkeit eines solchen Einsatzes „ist zu jeder Zeit gerechtfertigt“. Das Gespräch darüber ist ein Teil des demokratischen Diskurses. Denn die Bundeswehr ist eine keine Armee per se sondern handelt im Auftrag des Parlaments. Und auch dieses Parlament lebt nicht im luftleeren Raum, sondern muss sich dem demokratischen Gespräch stellen.

„Gott ist kein einsamer Himmelsherrscher, sondern mitten unter uns wie ein Freund oder eine Schwester, wie ein Mensch, der etwas weiß von den Höhen und Tiefen des Lebens, von Liebe und Glück, aber auch von Ängsten und Sorgen.“ Als ein solcher Freund hat er wohl diese Predigt vom 1. Januar nicht einfach verhallen lassen. Wir sollen aufmerken, uns nicht einfach mit dem Bestehenden zufriedengeben und auch jetzt wieder und wieder fragen: Was heißt es, heute so zu handeln, das wir „den Nächsten lieben wie uns selbst“?

Veröffentlicht in der LVZ vom 15. Januar 2010

2 Kommentare leave one →
  1. 22. Januar 2010 12:08

    Ich finde, dass es die Kirche ein wenig an solchen klaren Worten gegen den Krieg fehlen lassen hat und es an der Zeit war, dies öffentlich zu sagen. Es ist traurig, dass Deutschland wieder an bewaffneten Konflikten teilnimmt und es wehren sich viel zu wenige Menschen dagegen. Auch der Vorgänger von Mme Käßmann hat da leider keine eindeutige Position bezogen.

    • 22. Januar 2010 14:40

      Ich denke nicht, dass sich zu wenige in Predigten zu diesem Thema äußern. Jedenfalls habe ich einige sehr klare Standpunkte dazu gehört. Mir scheint es eher das Problem zu sein, dass man alles sagen kann, es aber sofort wieder verrauscht, also egal ist. Wenn daran aber Menschenleben hängen, ist es ganz und gar nicht egal. Warum nun plötzlich auf diese Predigt reagiert wird, kann ich kaum nachvollziehen. Aber ich bin froh, dass dem so ist und endlich wieder in breiter Front über die Sinnhaftigkeit dieses Einsatzes diskutiert wird. In den letzten Tagen ist in Berlin auch ein neues Buch zum Thema vorgestellt worden: „Unter Beschuss. Warum Deutschland in Afghanistan scheitert“. Vielleicht auch das ein Beitrag, endlich andere Wege für eine Unterstützung der Afghanen zu finden – sofern sie diese Unterstützung auch wollen.

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